Folsäure und das kardiovaskuläre Risiko: Homocystein im Visier

Seit Beginn der Industrialisierung haben die kardiovaskulären Erkrankungen zunehmend an Bedeutung gewonnen, bis heute schliesslich zur Todesursache Nr. 1 avanciert sind. Im Laufe der Jahre hat man auch die Hauptgründe, die für diese Zunahme verantwortlich sind, erkannt: Rauchen, erhöhtes Cholesterin, Bluthochdruck und die Zuckerkrankheit. Diese führen dazu, dass sich die Arteriosklerose bei Individuen, welche nicht genetisch davor geschützt sind, schneller entwickelt, als dass man dies aufgrund des Alters und des Geschlechts annehmen würde. Neben diesen „klassischen“ Risikofaktoren gibt es aber weitere prädisponierende Faktoren, welche die Entwicklung einer Arterioklerose begünstigen. Die bekanntesten sind dabei neben Alter, Geschlecht und Familiengeschichte der Bewegungsmangel und die Essgewohnheiten sowie Stress und Depression. Laufend gibt es jedoch neue Erkenntnisse und die Beschreibung der Rolle von Komponenten von Entzündungsreaktionen und des „Homocysteins“ in der Entwicklung der Arteriosklerose zählt dabei aktuell zu den Bedeutendsten.

Homocystein ist ein Stoffwechselprodukt, welches beim Abbau der mit Nahrung aufgenommenen esseentiellen Aminosäure „Methionin“, im Körper entsteht. Im Methionin/Hmocystein-Stoffwechsel spielt die Folsäure zusammen mit Vit. B12 und Vit. B6 eine entscheidende Rolle und der Mangel an diesen Vitaminen führt zu einem Anstieg des Homocysteins im Blut. Eine erhöhte Homocysteinkonzentration, ist mit einem erhöhten Risiko von koronarer Herzkrankheit, Hirnschlag und Erkrankungen der peripheren Gefässe (Venenthrombosen und arterielle verschlusskrankheit) vergesellschaftet. Gleichzeitig mehren sich auch die berichte über einen Zusammenhang mit Demenzerkrankungen, wobei hier das hohe Homocystein eher Ausdruck des Vitamindefizits zu sein scheint, als dass es eine direkte Rolle im Erkrankungsprozess spielt.

Ausgehend von einer Homocysteinkonzentration von 10 µmol/L steigt das kardiovaskuläre Risiko mit zunehmender Konzentration fast linear an und es wurde ausgerechnet, dass Homocystein alleine für mindestens 10% des Gesamtrisikos von Herz Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich ist und bei einer Senkung des Homocysteins um 5 µmol/L das Auftreten von Venenthrombosen, Hirnschlag und Herz-/Kreislaufsterblichkeit bis zu 25% gesenkt werden könnte.

Homocystein spielt somit bei Patienten mit einer bereits manifesten vaskulären Erkrankung eine grosse prognostische Rolle und diese stellen somit auch die primäre Zielpopulation zur Bestimmung des Homocysteins und Einleitung allfälliger therapeutischen Massnahmen dar.

Während in der Allgemeinbevölkerung v.a. bei älteren Leuten an einem Vitaminmangel zu denken ist, rechtfertigen die heute vorhandenen Daten die generelle Vitaminverabreichung in der „Normalbevölkerung“ jedoch nicht. Hier ist vor allem auf eine ausgeglichene Ernährung zu achten. Hohe Folsäurekonzentrationen finden sich in Getreideprodukten wie Vollkornbrot, Weizenkeime und -kleie und Grün-Gemüse. Auch Erd- und Walnüsse oder Weichkäse haben hohe Folsäureanteile. Dabei scheint es äusserst wichtig, dass die Folsäure im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung und nicht alleine in Tablettenform zu sich genommen um seine volle Wirksamkeit zu entfalten. Die heute als herzfreundlich erkannte „Mittelmeerküche“, charakterisiert durch den Gebrauch von Olivenöl, Fisch und Geflügel zusätzlich zu viel Früchten und Gemüse garantiert neben der genügenden Aufnahme aller Vitamine und Mineralstoffe auch eine bezüglich Fettgehalt und Fettqualität optimale Ernährung. Auch mässiger Alkoholkonsum, d.h. max. 1 dl Glas Rotwein oder 3 dl Bier pro Tag, hat sich als durchaus günstig hinsichtlich Herzkreislauferkrankungen, aber auch bezüglich Gesamtsterblichkeit erwiesen. Dabei finden sich im Rotwein oder im roten Traubensaft die meisten gefässschützenden Substanzen, während Bier einen hohen Folsäureanteil hat. Allerdings verlieren sich die gesundheitsförderlichen Effekte bei zu hohem Alkoholgenuss rasch und auch ein starker Kaffeekonsum (>4 Tassen täglich) und Rauchen sind mit einer Erhöhung des Homocysteins assoziiert.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, das Homocystein als „neuer“ kardiovaskulärer Risikofaktor heute unbestritten ist und die Bestimmung und Behandlung bei bereits am Gefässsystem erkrankten Patienten in Betracht gezogen werden soll. Vor einer Vitaminsupplementation in Tablettenform ist aber zuerst eine optimierte Ernährung und Kontrolle der übrigen Risikofaktoren (im speziellen Rauchen) zu achten. Bei persistierend hohen Werten (> 10 µmol/L) wird heute bei Risikogruppen die tägliche Verabreichung einer Vitaminkombination in niedriger Dosierung (Folsäure: 0.2-0.8 mg, Vit. B12: 3-30 mg & Vit. B6: 2-6 mg) oder bei ungenügendem Ansprechen in hoher Dosierung (Folsäure: 1-5 mg, Vit. B12: 100-600 mg & Vit. B6: 6-25 mg) empfohlen.

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